Schiedsverfahren im Versicherungsrecht – ein Tagungsbericht
Die Schiedsgerichtsbarkeit als alternative Streitbeilegungsform bietet gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit zahlreiche Vorteile. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass sich die Parteien von Rückversicherungsverträgen häufig auf eine Schiedsklausel einigen. Demgegenüber ist in Österreich die Vereinbarung schiedsgerichtlicher Streitbeilegung in der Direktversicherung noch eher selten und das durch die Schiedsgerichtsbarkeit gebotene Potenzial nicht ausgeschöpft. Diesen Umstand haben Univ.-Prof. Dr. Martin Schauer (Universität Wien) und Hon.-Prof. Dr. Dietmar Czernich (CHG Czernich Rechtsanwälte) zum Anlass genommen, eine Tagung zu Schiedsverfahren im Versicherungsrecht zu veranstalten. Die mit führenden Versicherungs- und Schiedsrechtsexperten besetzte Veranstaltung fand am 19.05.2022 in den Räumlichkeiten des Hotels Le Méridien in Wien statt. Rund 80 Vertreterinnen und Vertreter der Rechts- und Versicherungswissenschaft nahmen an der vom Verband der österreichischen Versicherungswissenschaft und der österreichischen Schiedsvereinigung Arb|Aut unterstützten Tagung teil.
Im ersten Vortrag referierte Prof. Dr. Theo Langheid, Honorarprofessor an der Universität Salzburg, über die Chancen der Schiedsgerichtsbarkeit im Versicherungsrecht. Er zeigte die gängigsten Vorbehalte der Praxis gegen die Schiedsgerichtsbarkeit auf und legte dar, dass keine vernünftigen Gründe für die Ablehnung der alternativen Streitbeilegung im Versicherungswesen bestehen. Langheid betonte unter anderem, dass die Verfahrenskosten im Vergleich zur staatlichen Gerichtsbarkeit regelmäßig niedriger sind und die richtige Auswahl der Schiedsrichter für höchstgerichtliche Qualität bei der Entscheidungsfindung in komplexen Spezialmaterien sorgt.
MMag. Dr. Felix Hörlsberger, auf Versicherungsrecht spezialisierter Rechtsanwalt bei DORDA Rechtsanwälte, erläuterte den Anwendungsbereich der Schiedsgerichtsbarkeit in der Versicherungsbranche. Seiner Meinung nach eignet sich das Schiedsverfahren vor allem für Spezialversicherungen, also bei D&O- (Directors-and-Officers), W&I- (Warranty & Indemnity), Rechtsschutz- und technischen Versicherungen, und weniger für das Massengeschäft persönlicher Versicherungen. Zu den Vorteilen der Schiedsgerichtsbarkeit ergänzte er die Vertraulichkeit und kürzere Dauer des Verfahrens sowie die gute Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen. Einen Teil seines Vortrags widmete Hörlsberger praktischen Problemen von Schiedsvereinbarungen in Versicherungsverträgen sowohl im Verhältnis zu Versicherungsnehmern als auch zwischen Mitversicherern.
Anschließend sprach Univ.-Prof. Dr. Martin Schauer von der Universität Wien über die allgemeinen Voraussetzungen eines Schiedsverfahrens im Versicherungsrecht. Rechtsdogmatisch ordnete er eine Schiedsklausel als vom Hauptvertrag unabhängigen prozessrechtlichen Vertrag ein. Schauer referierte ferner über den notwendigen und fakultativen Inhalt von Schiedsvereinbarungen. Inhaltlich reicht zur wirksamen Begründung einer Schiedsvereinbarung demnach die Unterwerfung bestimmter Streitigkeiten unter die Entscheidung eines Schiedsgerichts aus. Darüber hinaus können etwa die Zahl der Schiedsrichter, deren fachliche Qualifikation und das Verfahren zur Bestellung sowie der Ablauf des Schiedsverfahrens vereinbart werden. Zu den Rechtswirkungen einer Schiedsklausel führte Schauer unter anderem aus, dass sie bei der offenen Mitversicherung zur Bindung aller Mitversicherer führt und bei Layer-Strukturen differenzierte Lösungen möglich sind.
Den letzten Vortrag hielt Rechtsanwalt und Schiedsrechtsexperte Hon.-Prof. Dr. Dietmar Czernich. Er betonte die besondere Bedeutung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter im Versicherungsrecht. Czernich erklärte, dass besonderes Augenmerk auf die Auswahl der Schiedsrichter zu legen ist. Einerseits hängt die Qualität des Verfahrens überwiegend von der fachlichen Eignung der Schiedsrichter ab. Andererseits sind Schiedssprüche nur in Ausnahmefällen anfechtbar, was die niedrige Aufhebungsrate von Schiedssprüchen durch den Obersten Gerichtshof verdeutlicht. Insbesondere die Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung des Schiedsgerichts ist der Kontrolle durch den Obersten Gerichtshof gänzlich entzogen. Schließlich erörterte Czernich die vom Obersten Gerichtshof als Orientierungshilfe bei Interessenkonflikten von Schiedsrichtern herangezogenen IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration. Diese Leitlinien enthalten auf Basis eines Ampelsystems Ausschließungsgründe für Schiedsrichter und Umstände, die zwar nicht zur Ausgeschlossenheit führen, aber offenzulegen sind. Beispielsweise ist ein Schiedsrichter absolut ausgeschlossen, wenn er eine Schiedspartei regelmäßig berät oder bei dieser eine Organfunktion innehat.
Bei der abschließenden Podiumsdiskussion fassten Mag. Maria Althuber-Griesmayr vom Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, Dr. Klaus Koban, MBA, vom Verband Österreichischer Versicherungsmakler, Dr. Peter Konwitschka, Rechtsanwalt bei Schönherr Rechtsanwälte, und Dr. Helmut Ortner, LL.M., von Peters Ortner Partners Rechtsanwälte, die Erkenntnisse der Tagung zusammen und stellten sich den Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Ein Beitrag von CHG-Rechtsanwalt Mag. Stefan Gutbrunner.