Raumordnungsverträge – (All)Macht der Gemeinden?

Raumordnungsverträge – (All)Macht der Gemeinden?

Von Rechtsanwalt Roland Wegleiter und Rechtsanwalt Mario Kathrein

Mit der Novellierung des TROG erhalten Tiroler Gemeinden weitreichende rechtliche Möglichkeiten, um raumplanerische Interessen privatrechtlich durchzusetzen. Dies kann insbesondere für Projektentwickler:innen, Grundeigentümer:innen und Investor:innen zu komplexen juristischen Fragestellungen führen. Es empfiehlt sich daher, frühzeitig juristische Expertise einzuholen, um mögliche Risiken und Gestaltungsspielräume optimal zu bewerten.

Raumordnungsverträge nehmen einen immer zentraleren Stellenwert bei der Projektentwicklung ein. Es handelt sich dabei um zivilrechtliche Verträge, die zwischen Gemeinden und natürlichen oder juristischen Personen im Zusammenhang mit der Änderung von Flächenwidmungs- und/oder Bebauungsplänen abgeschlossen werden. Wenngleich Raumordnungsverträge seit geraumer Zeit bestehen, bedienen sich Gemeinden immer häufigen derartigen Verträgen.

Mit der Änderung des Tiroler Raumordnungsgesetzes (TROG) im Februar 2025 wurden die Bestimmungen im Zusammenhang mit Raumordnungsverträge überarbeitet. Hintergrund ist eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), durch die die Bundesländer ausdrücklich ermächtigt wurden, den Abschluss privatrechtlicher Verträge als Voraussetzung für hoheitliches Handeln im Bereich der örtlichen Raumplanung vorzusehen. Dies nahm der Tiroler Gesetzgeber zum Anlass, die bestehenden Regelungen über den Abschluss privatrechtlicher Vereinbarungen einer umfassenden Überarbeitung zu unterziehen. Dabei sollen nach den Erläuternden Bemerkungen zur Revierungsvorlage Vollzugserfahrungen, die aktuelle Rechtsprechung der Zivilgerichte sowie Anregungen der Lehre einfließen und gleichzeitig die erforderlichen Schutzbestimmungen zur Verhinderung sittenwidriger und somit nichtiger Vertragsbestandteile beibehalten werden.

Der beispielhafte Katalog der grundsätzlich zulässigen Inhalte von Raumordnungsverträgen wurde nunmehr aber deutlich ausgeweitet. Dies sowohl hinsichtlich der Pflichten der Grundeigentümer:innen als auch der möglichen Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten der Gemeinden. Gemäß § 33 TROG können Raumordnungsverträge nun insbesondere folgende Verpflichtungen des Grundeigentümers vorsehen:

  • Die Zuführung der Grundflächen innerhalb einer angemessenen Frist zu einer bestimmten Verwendung (insbesondere Bebauung)
  • Die Überlassung der Grundflächen an:
    • die Gemeinde oder den Tiroler Bodenfonds für Zwecke des geförderten Wohnbaus, betriebliche Ansiedlungen oder infrastrukturelle Maßnahmen,
    • gemeinnützige Bauvereinigungen oder gemeindeeigene Unternehmen zur Schaffung von gefördertem Wohnraum und Gemeinschaftseinrichtungen.

Darüber hinaus können Raumordnungsverträge weitere Bestimmungen enthalten, beispielsweise:

  • Obergrenzen für Mietzinse und Verkaufspreise (auch unter Bezugnahme auf das Tiroler Wohnbauförderungsgesetz)
  • Vergabe- und Zustimmungsrechte der Gemeinden
  • Vorkaufsrechte und Optionen zugunsten der Gemeinde, des Tiroler Bodenfonds oder gemeinnützigen Bauvereinigungen
  • Mindestarbeitsplatzdichten für betriebliche Nutzungen
  • Verpflichtung zur Begründung von Hauptwohnsitzen

Zur Sicherstellung der Einhaltung solcher Vereinbarungen sind Kontrollmechanismen, wie die dingliche (grundbücherliche) Absicherung von Rechten und Pflichten, Überbindungspflichten an Rechtsnachfolger:innen, Vertragsstrafen oder umfassende Auskunftspflichten sowie Kontroll-, und Einsichtsrechte der Gemeinden vorgesehen.

Zusammengefasst sind daher die potenziell in Raumordnungsverträgen regelbaren Themenaspekte sehr weitreichend und vielschichtig. Gerade für Grundeigentümer:innen und Bauwerber:innen können derartige Regelungen in abzuschließenden Raumordnungsverträgen erhebliche Hürden bei der Realisierung eines Bauvorhabens darstellen. Dabei ist allgemein zu beachten, dass Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes nicht ausschließlich vom Abschluss eines Raumordnungsvertrags abhängig gemacht werden dürfen (Koppelungsverbot). Dennoch sind Bauwerber:innen unter Umständen mit dem Umstand konfrontiert, dass Gemeinden Raumordnungsverträgen einen für die Projektrealisierung zentralen Stellenwert einräumen. Dies mit der Konsequenz, dass im Falle des Nichtabschlusses des Raumordnungsvertrag eine Realisierung des Bauvorhabens entweder gar nicht, nur erheblich zeitverzögert oder häufig auch nur nach der Vornahme juristischer Schritte möglich ist. An die weiteren Möglichkeiten der Gemeinde im Falle des Nichtabschlusses eines Raumordnungsvertrags, wie die schlichte Nichterlassung eines notwendigen Bebauungsplans oder das Erlassen von Bausperren sei an dieser Stelle verweisen. Dies führte dazu, dass sich manche Grundeigentümer:innen bzw Bauwerber:innen durch diese Vorgehensweise in ihren (verfassungsrechtlich) geschützten Rechten beeinträchtigt fühlten.

Zudem eröffnet sich im Falle des Abschlusses eines Raumordnungsvertrags unter Umständen eine Vielzahl von juristisch komplexen Folgeproblemen. Dies insbesondere dann, wenn beispielsweise bei einem Bauträgerprojekt die Beschränkungen des Räumordnungsvertrags auf die Wohnungseigentümer:innen übertragen werden müssen, was unter Umständen aufgrund der Vielzahl der hier zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen rechtlich nicht zulässig ist. Bauträger:innen laufen dann Gefahr, gegen die ursprünglich und gegebenenfalls vor geraumer Zeit im Raumordnungsvertrag eingegangenen Verpflichtungen zu verstoßen.

 

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