Neue FMA-Vergabestandards für Wohnimmobilienkredite in Begutachtung

Home / Banking & Finance / Neue FMA-Vergabestandards für Wohnimmobilienkredite in Begutachtung
Neue FMA-Vergabestandards für Wohnimmobilienkredite in Begutachtung

 

Neue FMA-Vergabestandards für Wohnimmobilienkredite in Begutachtung

von RA Dr. Daniel Tamerl und RAA Mag. Katharina Schwager

 

Seitdem das Finanzmarktstabilitätsgremium (kurz „FMSG“) Anfang März 2022 eine Empfehlung für den Einsatz von Maßnahmen zur Begrenzung systemischer Risiken aus der privaten Wohnimmobilienfinanzierung beschloss (FSMG/2/2022), hat die Kreditwirtschaft gespannt auf die hierzu angekündigte Verordnung der Finanzmarktaufsicht (kurz „FMA“) gewartet. Der Entwurf der neuen Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (kurz „KIM-V“) wurde nun veröffentlicht, die Begutachtungsfrist läuft bis 20. Mai 2022. Der vorliegende Beitrag dient der Erläuterung der wichtigsten Inhalte des Verordnungsentwurfs.

 

Hintergrund zur KIM-V

Bereits in seiner 17. Sitzung vom 27. September 2018 konkretisierte das FMSG seine Vorstellungen zur nachhaltigen Kreditvergabe. Als nachhaltig erachtete das FMSG ein angemessenes Mindestmaß an Eigenmitteln der Kreditnehmer, wobei Eigenmittelanteile unterhalb eines Richtwertes von 20% als kritisch angesehen wurden. Kreditlaufzeiten sollten nicht unverhältnismäßig lang ausfallen und die Einkommensentwicklung der Kreditnehmer berücksichtigen. Um eine adäquate Begrenzung des Schuldendienstes zu gewährleisten, erwartete sich das FMSG auch eine konservative Berechnung der Haushaltseinnahmen und -ausgaben im Zuge der Kreditvergabe. Das FMSG wies in diesem Zuge auch darauf hin, dass es die Entwicklungen am Wohnimmobilienmarkt weiterhin beobachten wird.

In der 30. Sitzung vom 13. Dezember 2021 kam das FMSG sodann zum Ergebnis, dass sich die Dynamik des Anstiegs der systemischen Risiken aus der Immobilienkreditvergabe weiter fortgesetzt hat.

Vor dem Hintergrund der Verdichtung von Immobilienblasen, des im EU-Vergleich überdurchschnittlichen Immobilienkreditwachstums in den vergangenen Jahren und der Vielzahl an variabel verzinsten Krediten hat das FMSG der FMA sodann Anfang März 2022 empfohlen, Maßnahmen zur Begrenzung systemischer Risiken aus der Immobilienfinanzierung nach § 23h Bankwesengesetz (BWG) für das Segment der privaten Wohnimmobilienfinanzierungen einzusetzen.

Basierend auf einem Gutachten der Österreichischen Nationalbank (kurz „OeNB“) will die FMA mit der KIM-V eine strengere Beleihungs- und Schuldendienstquote sowie eine Obergrenze für die Laufzeit von Krediten einführen, an die sich die Kreditinstitute – mit gewissen Erleichterungen wie Ausnahmekontingenten – bei der Neuvergabe von Krediten zur Wohnimmobilienfinanzierung halten müssen. Am 1. Juli 2022 soll die KIM-V auf drei Jahre befristet in Kraft treten. Eine Verlängerung ist unter den Voraussetzungen des § 23h Abs 6 BWG um bis zu zwei Jahre möglich.

 

Anwendungsbereich der KIM-V

Die neuen Vorschriften gelten nur für neu vereinbarte private Wohnimmobilienkredite österreichischer CRR-Kreditinstitute oder solchen mit Zweigstelle in Österreich. Private Wohnimmobilienfinanzierungen sind Fremdkapitalfinanzierungen, die für den Bau oder Erwerb von Wohnimmobilien durch natürliche Personen als Verbraucher bestimmt sind. Bei Gemischtnutzungen ist auf den überwiegenden Verwendungszweck abzustellen. Weiters ist Voraussetzung, dass die Besicherung durch eine in Österreich liegende Liegenschaft erfolgt oder zumindest ein Kreditnehmer seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat.

Eine Rückwirkung auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung bereits abgeschlossene Kreditverträge ist bereits nach § 23h Abs 2 BWG, aber auch explizit ausgeschlossen. Anwendbar sind die neuen Vergabestandards aber im Fall einer nachträglichen Erhöhung des Finanzierungsvolumens, also bei Erhöhung des Gesamtkreditbetrags eines bestehenden Kreditvertrages. In diesem Fall sind die neuen, strengeren Vorgaben nur auf den „erhöhten Teil“ des Kreditbetrags anzuwenden.

Ausgenommen sind etwa kreditnehmende gemeinnützige Bauvereinigungen nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) sowie bloße Prolongationen bestehender Fremdkapitalfinanzierungen.

 

Obergrenzen für Laufzeit, Beleihungs- und Schuldenquote

Private Wohnbaukredite dürfen in Zukunft grundsätzlich nur vergeben werden, wenn die in § 4 KIM-V bestimmten Obergrenzen für Beleihungs- und Schuldenquote sowie Laufzeit eingehalten werden.

Konkret wird eine Beleihungsquote von 90 % festgelegt, wobei Kreditinstituten ein Ausnahmekontingent von 20% zugestanden wird. Die Beleihungsquote (eigentlich „Besicherungsquote“) bezeichnet das Verhältnis zwischen der Summe aller, auch bereits aushaftenden privaten Wohnimmobilienfinanzierungen und den Sicherheiten. Hervorzuheben ist, dass eine für die Beleihungsquote relevante Immobiliensicherung die Eintragung im Grundbuch binnen sechs Monaten nach Vertragsschluss voraussetzt. Kredite des Kreditnehmers bei anderen Kreditinstituten bleiben bei der Berechnung der Beleihungsquote unberücksichtigt.

Weiters hat der Kreditnehmer eine Schuldendienstquote von 40 % zu erfüllen (Ausnahmekontingent: 10 %). Die Schuldendienstquote drückt das Verhältnis der Summe der jährlichen Zins- und Tilgungsleistungen sämtlicher Kreditnehmer (als konstante Annuität) zum Einkommen aus. Die Kreditverbindlichkeiten der Kreditnehmer bei anderen Kreditinstituten sind hier miteinzurechnen.

Schließlich darf der Kredit eine Laufzeit von 35 Jahren nicht übersteigen (Ausnahmekontingent 5%).

Werden diese Obergrenzen nicht erfüllt, darf der Kredit grundsätzlich nicht vergeben werden.

 

Geringfügigkeitsgrenze und Ausnahmekontingente

Die Einhaltung dieser strikten Obergrenzen wird durch bestimmte kreditnehmer- und institutsbezogene Geringfügigkeitsgrenzen abgeschwächt.

So sind etwa Kredite von den Obergrenzen ausgenommen, sofern die aushaftenden Kreditverbindlichkeiten des Kreditnehmers bei sämtlichen Kreditinstituten den Betrag von EUR 40.000,00 nicht übersteigen (vgl § 5 Abs 1 KIM-V). Die FMA schätzt das Ausfallsrisiko einzelner Kreditnehmer bis zu dieser Grenze als gering ein und verweist hierzu unter anderem auf die in der Praxis geläufige unbesicherte Kreditvergabe bis zu diesem Betrag sowie die gesetzlich zulässige Vergabe unbesicherter Bausparverträge bis zu einer Grenze von EUR 35.000,00. Darüber hinaus sollen mit dieser Geringfügigkeitsgrenze von EUR 40.000,00 Renovierungen und Sanierungen – insbesondere den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger – erleichtert werden.

Dieser Ausnahme wird zur Vermeidung eines kumulierten Risikos durch Anhäufung solcher geringen Kredite wiederum ein institutsbezogener Riegel vorgeschoben: Je Kreditinstitut darf die Gesamthöhe aller geringfügigen Kredite nicht mehr als 2 % des Gesamtvolumens der neu vereinbarten privaten Wohnimmobilienfinanzierungen ausmachen. Nach Erreichen der 2 %-Grenze kann eine Abschwächung der oben genannten Quoten und Laufzeit allenfalls im Rahmen des institutsbezogenen Ausnahmekontingents erfolgen.

Im Rahmen des institutsbezogenen Ausnahmekontingents können die in § 4 KIM-V angeordneten Beleihungsquote (um 20 %) und die Schuldendienstquote (um 10 %) unterschritten oder die Laufzeit (um 5 %) überschritten werden. Insgesamt dürfen aber bei einem Kreditinstitut maximal 20% aller Kredite (gemessen am Kreditvolumen) eine der Obergrenzen überschreiten. Es bestehen somit insgesamt vier Begrenzungen des Ausnahmekontingents. Das institutsbezogene Ausnahmekontingent ist vor allem relevant bei Zwischenfinanzierungen im Fall des Erwerbs einer neuen Wohnimmobilie vor dem Verkauf der „alten“ Immobilie, bei gesicherten zukünftigen Vermögenszuflüssen sowie bei einkommensstarken Kreditnehmern.

 

Ausblick

Zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form die KIM-V in Kraft treten wird, ist derzeit noch ungewiss. Es bleibt hierfür die Begutachtungsfrist bis zum 20. Mai 2022 abzuwarten. Änderungsvorschläge und zahlreiche Stellungnahmen sind im Konsultationsverfahren zu erwarten. Mit einem beschlussfähigen Verordnungsentwurf ist daher wohl erst im Juni 2022 zu rechnen. Eines ist sicher: Die Vergabe von Wohnimmobilienkrediten wird mit der neuen KIM-V deutlich verschärft.

 

Dr. Daniel Tamerl ist Rechtsanwalt und Partner, MMag. Katharina Schwager ist Rechtsanwaltsanwärterin bei CHG Czernich Rechtsanwälte Innsbruck.

 

Hier steht Ihnen der Text zum Download als PDF zur Verfügung:

Dr. Daniel Tamerl

MMag. Katharina Schwager