Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Ungleichbehandlung von Miete und Pacht hinsichtlich Bestandzinsminderung

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Ungleichbehandlung von Miete und Pacht hinsichtlich Bestandzinsminderung

von RA Dr. Daniel Tamerl und RAA Mag. Dr. Mario Kathrein

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) befasste sich unlängst mit der bis dato umstrittenen Frage, ob unterschiedliche Rechtsfolgen in Hinblick auf Miet- oder Pachtverhältnisse im Falle der beschränkten Brauchbarkeit des Bestandgegenstandes verfassungskonform sind (G 279/2021-15).

Unterschiedliche Regelungen in Hinblick auf Miete und Pacht

Bei der Abgrenzung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die Rechtsprechung und Lehre schon seit jeher Schwierigkeiten bereitet. Diese Unterscheidung ist aus rechtlicher Sicht in vielerlei Hinsicht bedeutend, insbesondere auch für die Frage der Bestandzinsminderung.

Die §§ 1104 und 1105 ABGB regeln den Fall, dass ein Bestandsobjekt auf Grund außerordentlicher Zufälle unbrauchbar wird. Auf Seiten des Bestandnehmers sehen sie eine (verhältnismäßige) Zinsminderung vor. § 1104 ABGB regelt den Fall der gänzlichen Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts, wohingegen § 1105 ABGB für die Falle der beschränkten Brauchbarkeit des Bestandgegenstands einschlägig ist. Dabei differenziert § 1105 ABGB (im Gegensatz zu § 1104 ABGB) bei der Bestandzinsminderung ausdrücklich zwischen Miet- und Pachtverhältnis. § 1105 ABGB lautet:

Behält der Mieter trotz eines solchen Zufalls einen beschränkten Gebrauch des Mietstückes, so wird ihm auch ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses erlassen. Dem Pächter gebührt ein Erlass an dem Pachtzinse, wenn durch außerordentliche Zufälle die Nutzungen des nur auf ein Jahr gepachteten Gutes um mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages gefallen sind. Der Verpächter ist so viel zu erlassen schuldig, als durch diesen Abfall an dem Pachtzinse mangelt.

Bei eingeschränkter Brauchbarkeit durch einen außerordentlichen Zufall steht daher dem Mieter nach Satz 1 dieser Bestimmung eine Zinsminderung zu; dem Pächter nach Satz 2 jedoch nur, wenn die Pachtdauer auf (höchstens) ein Jahr befristet ist und zudem die Erträge um mehr als die Hälfte vom Gewöhnlichen vermindert sind.

Ausgangslage

Beim BG Meidling waren zwei Verfahren anhängig, die Bestandzinsforderungen zweier Verpächterinnen gegen eine Pächterin zum Inhalt hatten. Die Forderungen betrafen die Zeiträume Mai/April 2020 bis einschließlich Jänner 2021. Die Pachtgegenstände (Gastronomiebetriebe in einem Bürogebäude) seien nach dem Vorbringen der Klägerinnen auf Grund der behördlichen COVID-19-Maßnahmen nicht gänzlich, sondern nur teilweise unbrauchbar gewesen.

Es stellte sich die Frage, ob die unterschiedliche Behandlung von Mietern und Pächtern beim beschränkten Gebrauch des Bestandgegenstandes gemäß § 1105 ABGB aus grundrechtlicher Sicht (noch) zulässig ist.

Das BG Meidling hegte aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes (Art 7 B-VG) und der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie (Art 5 StGG, Art 1 1. ZP-EMRK und Art 17 GRC) gravierende Bedenken an der Verfassungskonformität an (Teilen) dieser Bestimmung und beantragte, der Verfassungsgerichtshof möge § 1105 Satz 2 und 3 ABGB bzw in eventu diese Bestimmung zur Gänze als verfassungswidrig aufheben.

Erkenntnis des VfGH: Keine Verfassungswidrigkeit

Der Hauptantrag wurde vom VfGH wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen, weil dadurch eine etwaige Verfassungswidrigkeit nicht beseitigt werden könne. Der Eventualantrag (Aufhebung des gesamten § 1105 ABGB) war hingegen nach Ansicht des Höchstgerichts zulässig.

Nach herrschender Ansicht im Schrifttum spiegelt sich in der angefochtenen Bestimmung der Gedanken wider, dass Minderungen des Ertrages bei mehrjährigen Pachtverträgen in der Folgezeit kompensiert werden können, sich sohin gute und schlechte Jahre im Laufe der Zeit ausgleichen. Umstritten war, ob der Gesetzgeber dabei ausschließlich die landwirtschaftliche oder auch die gewerbliche Pacht vor Augen hatte.

Der VfGH vertritt den Standpunkt, dass der Gesetzgeber in der angefochtenen Bestimmung in verfassungsrechtlich zulässiger Weise von der nachvollziehbaren Durchschnittsbetrachtung ausgehe, dass sich gute und schlechte Wirtschaftsperioden bei längerfristigen Pachtverträgen ausgleichen können, während dies bei kurzfristigen Pachtverträgen nicht oder nur eingeschränkt der Fall sei. Die in § 1105 Satz 2 ABGB normierte Differenzierung zwischen kurz- und langfristigen Pachtverträgen sei daher aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht zu beanstanden. Der Verfassungsgerichtshof vermag darüber hinaus nicht zu erkennen, dass der Gedanke eines Ausgleiches zwischen guten und schlechten Jahren in einer Durchschnittsbetrachtung nur auf die landwirtschaftliche Pacht zutreffe. In zumindest gleicher Weise würden sich auch bei der Unternehmenspacht gute und schlechte Wirtschaftsperioden abwechseln können. Dazu käme, dass es der Pächter insbesondere bei längerfristigen Pachtverträgen durch seinen Einsatz und sein wirtschaftliches Geschick in der Hand habe, die durch die teilweise Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes bewirkte Minderung seines Ertrages zu beeinflussen. Eine Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung sei daher auch insofern nicht zu erkennen. Der behauptete Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liege somit nicht vor.

Nach Ansicht des VfGH könne zudem dahingestellt bleiben, ob die angefochtene Bestimmung einen Eingriff in das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums bewirkt, weil die behauptete Verfassungswidrigkeit aus den bereits zum Gleichheitsgrundsatz dargelegten Gründen nicht vorliege.

Resümee

Die unterschiedlichen Regelungen in Hinblick auf Miet- oder Pachtverhältnisse betreffend die Bestandzinsminderung verstoßen daher zusammengefasst weder gegen den Gleichheitssatz noch gegen das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums.

Ob im jeweiligen Einzelfall daher ein Miet- oder Pachtverhältnis vorliegt, ist sohin auch für diesen Aspekt weiterhin von besonderer Bedeutung

Disclaimer

Diese Ausführungen geben einen allgemeinen Überblick über ein aktuelles Erkenntnis des VfGH. Der Beitrag kann die Beratung im Einzelfall aber nicht ersetzen, um für Sie eine maßgeschneiderte Lösung zu bieten. Für Ihre Fragen rund um Geschäftsraummieten und Unternehmenspachtverträge stehen wir gerne zur Verfügung.

 

Daniel Tamerl ist Rechtsanwalt und Partner, Mario Kathrein ist Rechtsanwaltsanwärter bei CHG Czernich Rechtsanwälte Innsbruck

Dr. Daniel Tamerl

Mag. Dr. Mario Kathrein, LL.M., LL.B.