Mietzinsminderung bei Umsatzrückgängen

Mietzinsminderung bei Umsatzrückgängen? Der OGH differenziert.

von RA Dr. Daniel Tamerl und RAA Mag. Dr. Mario Kathrein

Der OGH (3 Ob 209/21p) äußerte sich unlängst erstmals mit der umstrittenen Frage, ob und inwiefern Umsatzrückgänge bei Geschäftsräumlichkeiten auch ohne behördliche Maßnahmen (etwa Betretungsverbote) zu einer Mietzinsreduktion führen können.

Ausgangslage

Die Klägerin ist Vermieterin und die Beklagte Mieterin eines Geschäftslokals in Wien im Ausmaß von 86,95 m² mit dem vereinbarten Geschäftszweck der Verwendung als Reisebüro. Von 16. März bis 30.04.2020 war aufgrund von § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz und der darauf basierenden Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz das Betreten dieses Geschäftslokals untersagt. Während dieses Zeitraums wurde im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum nur ein Bruchteil an Umsatz (weniger als 10 %) erwirtschaftet, insbesondere weil die persönliche Beratung im Reisebüro aufgrund des Betretungsverbots nicht mehr durchgeführt werden konnte. Mit 01.05.2020 trat dieses Betretungsverbot außer Kraft. Dennoch blieb das Geschäftslokal geschlossen. Ab Juni 2020 war das Geschäft für vier Stunden täglich geöffnet und ab Herbst bis 16.11.2020 für zwei bis drei Stunden pro Tag.

Die Vermieterin begehrte von der Mieterin die Zahlung der anteiligen offenen Mietzinse für April und Mai 2020. Zwar sei die bestimmungsgemäße Nutzung des Kundenbereiches untersagt, davon seien aber die Bürotätigkeiten nicht betroffen. Die Mieterin vertrat dagegen den Standpunkt, dass von 16.03. bis 30.04.2020 das Geschäftslokal objektiv gänzlich unbrauchbar gewesen sei. Für diesen Zeitraum sei daher das Einbehalten des gesamten Mietzinses berechtigt gewesen.

Ansicht der Unterinstanzen

Nach Ansicht des Erstgerichts stünde der Beklagten aufgrund des Betretungsverbots eine Mietzinsminderung zu. Diese seien nach der Gebrauchseinschränkung für das Bestandobjekt und nicht nach der geschäftlichen Umsatz- oder Nachfrageverringerung zu bemessen. Letzteres zähle zum allgemeinen Unternehmerrisiko. Konkret schulde daher die Beklagte für die Zeit vom 16. bis 31. März und den Monat April 2020 einen aliquoten Mietzins von 70 %. Ab Mai 2020 sei hingegen wieder der volle Mietzins zu bezahlen gewesen.

Das Berufungsgericht vertrat in den Standpunkt, dass die COVID-19-Pandemie und deren Folgen nicht dem allgemeinen Unternehmerrisiko zuzuordnen wären. Aufgrund des massiven Umsatzrückgangs auf 10 % habe ein Restnutzen des Bestandobjekts nicht mehr bestanden. Folglich sei das gesamte Klagebegehren nicht berechtigt.

Entscheidung des OGH

Der OGH verdeutlichte in seiner Entscheidung (3 Ob 209/21p) zunächst, dass für die Beurteilung der Frage der Benutzbarkeit des Bestandgegenstandes in erster Linie die Parteienvereinbarung bzw der dem Vertrag zugrunde liegende Geschäftszweck maßgeblich ist. In der verfahrensgegenständlichen Konstellation war der vereinbarte Zweck die Verwendung des Geschäftslokals als Reisebüro. Durch das aufrechte Betretungsverbot vom 16.03. bis 30.04.2020 war nur eine eingeschränkte Nutzung möglich. Einerseits konnte das Geschäftslokal nämlich von Kunden nicht mehr betreten werden, andererseits konnte die Mieterin dieses aber für Bürotätigkeiten uneingeschränkt nutzen.

Insbesondere beschäftigte sich der OGH mit der Frage, ob bzw inwieweit die infolge der COVID-19-Pandemie eingetretenen Umsatzrückgänge eine Mietzinsminderung rechtfertigen könnten. Im Schrifttum finden sich dazu unterschiedliche Standpunkte. Diese Frage wird kontrovers diskutiert. Nach der einen Meinung würden Umsatzrückgänge ohne behördliche Maßnahmen nicht zur Mietzinsminderung führen. Vielmehr würde sich darin lediglich das allgemeine Unternehmerrisiko verwirklichen. Nach der anderen Auffassung wäre hinsichtlich der Mietzinsreduktion unmittelbar an den pandemiebedingten Umsatzeinbußen anzuknüpfen.

Der OGH verwirft in dieser Entscheidung letztere Auffassung und vertritt den Standpunkt, dass Umsatzeinbußen im Allgemeinen als Folge der COVID-19-Pandemie dem Unternehmerrisiko zuzuordnen wären. Diese Pandemieauswirkungen wären keine Gebrauchsbeeinträchtigung des vom Vermieter vereinbarungsgemäß zur Verfügung gestellten Objekts. Wenn sich hingegen die Umsatzeinbußen des Geschäftsraummieters auf behördliche Maßnahmen (beispielsweise Betretungsverbote) zurückführen lassen, wären solche Umsatzeinbußen konkrete Folgen einer objektiven Einschränkung des vertraglich bedungenen Gebrauchs. Diesfalls wären sie im Rahmen einer Mietzinsminderung zu berücksichtigen.

Von der Mieterin wurde im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens nie konkret angesprochen, dass Umsatzeinbußen gerade aufgrund des Betretungsverbotes eingetreten wären. Der OGH stellte daher das Ersturteil wieder her.

Resümee

Das Höchstgericht differenziert und trifft eine weitreichende Entscheidung. Allein der Umstand, dass ein Mieter aufgrund der Pandemie von Umsatzeinbußen betroffen ist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine Mietzinsminderung berechtigt ist. Pandemiebedingte Umsatzeinbußen müssen vielmehr die unmittelbare Folge der eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit des Geschäftslokals sein. Nur dann steht dem Mieter das Recht zu, den Mietzins zu mindern.

Disclaimer

Diese Ausführungen geben einen allgemeinen Überblick über eine aktuelle Entscheidung des OGH zur Mietzinsminderung. Der Beitrag kann die Beratung im Einzelfall aber nicht ersetzen, um für Sie eine maßgeschneiderte Lösung zu bieten. Für Ihre Fragen rund um Geschäftsraummieten und Unternehmenspachtverträge stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit diesem spannenden Thema beschäftigte sich neulich auch die Tageszeitung Die Presse. Den Artikel zum Nachlesen inklusive der Stellungnahme von Dr. Tamerl finden Sie hier.

Daniel Tamerl ist Rechtsanwalt und Partner, Mario Kathrein ist Rechtsanwaltsanwärter bei CHG Czernich Rechtsanwälte Innsbruck.

Dr. Daniel Tamerl

Mag. Dr. Mario Kathrein, LL.M., LL.B.