Verbraucherkredit-Richtlinie 2023: Die Neuerungen im Überblick

Verbraucherkredit-Richtlinie 2023: Die Neuerungen im Überblick

RA Dr. Daniel Tamerl, RAA MMag. Katharina Schwager

Die neue Verbraucherkredit-Richtlinie 2023/2225/EU („Verbraucherkreditrichtlinie 2023“) ist seit 30.10.2023 in Kraft. Sie ersetzt die Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG „Verbraucherkredit-Richtlinie 2008“) und ist bis 20.11.2025 in das nationale Recht aller EU-Mitgliedstaaten umzusetzen.

 

Hintergrund im europäischen Verbraucherkreditrecht

Das Verbraucherkreditrecht regelt die Modalitäten der Vergabe und Tilgung von Krediten von Unternehmern an Verbraucher und ist in der gesamten EU, vor allem in Österreich stark fragmentiert. In Österreich finden sich die Bestimmungen zum Verbraucherkreditrecht insbesondere im Verbraucherkreditgesetz („VKrG“) und im Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz („HIKrG“).

Seit Jahrzehnten, insbesondere seit der Verbraucherkredit-Richtlinie 87/102/EWG, greift die EU stark regulierend in die Kreditwirtschaft ein. Als die Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 nicht nur verheerende Ausmaße in der Finanzmarktstabilität und für Unternehmer, sondern auch für Private annahm, steckte die Verbraucherkredit-Richtlinie 2008, die auf einem Vorschlag vom 20.04.2004 beruht und am 11.06.2008 in Kraft trat, noch in den Kinderschuhen. Die Lehren, die zum Ursprung und zu den Folgen der Weltwirtschaftskrise 2008 gezogen wurden, konnten in der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008 somit nicht mehr berücksichtigt werden.

Dass die EU-Kommission den Verbraucherschutz seither mit Argusaugen beobachtet und – entsprechend den ihr im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union übertragenen Kompetenzen – eine größtmögliche Harmonisierung des Verbraucherkreditrechts in der EU anstrebt, zeigt bereits die Verabschiedung der Wohnimmobilienkredit-Richtlinie 2014/17/ЕU, die in Österreich im Jahr 2016 im HIKrG umgesetzt wurde und von den nunmehrigen Änderungen nicht betroffen sein wird.

Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Auslegung der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008, etwa im Rahmen der Lexitor-Entscheidung, hat den Gesetzgebern der Mitgliedstaaten Divergenzen zwischen Umsetzung und Auslegung vor Augen geführt. Dass den Mitgliedstaaten hierzu nur in den wenigsten Fällen ein Vorwurf gemacht werden kann, zeigen die teils unklar formulierten Bestimmungen der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008, die auch in der Literatur zu zahlreichen unterschiedlichen Ansichten in der Auslegung geführt haben.

Die fortschreitende Digitalisierung, etwa bei Online-Käufen und deren Finanzierung, hat ihr Übriges dazu beigetragen, dass die Verbraucherkredit-Richtlinie 2008 nach 15 Jahren dringenden Anpassungsbedarf hatte, um den Binnenmarkt als deren oberstes Ziel weiter voranzutreiben.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Verbraucherkredit-Richtlinie 2023 zu lesen und vom österreichischen Gesetzgeber umzusetzen.

 

Neuerungen der Verbraucherkredit-Richtlinie 2023

Erweiterung des Anwendungsbereichs:

Die Verbraucherkredit-Richtlinie 2023 ist abweichend zu ihrer Vorgängerin auch auf Kleinkredite bis zu EUR 200,00 und zinslose Kredite anwendbar. Auch Schwarmfinanzierungen (Crowdfunding), bei denen ein Anbieter eine öffentlich zugängliche digitale Plattform betreibt, um eine Zusammenführung potenzieller Kreditgeber mit Verbrauchern, die eine Finanzierung suchen, zu ermöglichen oder zu erleichtern. Der Anbieter selbst handelt dabei in der Regel als Kreditvermittler.

Zudem unterliegen der Verbraucherkreditrichtlinie 2023 – zumindest eingeschränkt – auch sogenannte Buy Now Pay Later Modelle, bei denen dem Verbraucher ein Zahlungsaufschub gewährt wird. Ausgenommen sind jene Zahlungsaufschübe, die direkt vom Verkäufer oder Dienstleistungserbringer gewährt werden, zins- und gebührenfrei mit begrenzten Kosten sind und bei denen die vollständige Zahlung binnen 50 Tagen (bzw 14 Tagen bei Unternehmen, die keine KMU sind) nach der Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung zu erfolgen hat. Trifft nur eine dieser Voraussetzungen nicht zu, ist der Ausnahmetatbestand nicht erfüllt und die Verbraucherkredit-Richtlinie 2023 anwendbar.

Klassische Leasingverträge unterliegen künftig umfassend der Verbraucherkredit-Richtlinie 2023. Anders als bislang angenommen, bleiben Operating Leasingverträge hingegen weiterhin vom Anwendungsbereich ausgenommen. Beim klassischen Operating Leasing ist der Verbraucher im Gegensatz zum Finanzierungsleasing weder verpflichtet noch berechtigt, den Vertragsgegenstand zu erwerben.

 

Werbung und vorvertragliche Informationen:

Im Bereich der Werbung sieht die Verbraucherkredit-Richtlinie 2023 im Vergleich zu ihrer Vorgängerin unter anderem ausdrücklich Werbeverbote vor. So statuiert sie etwa ein Verbot, Verbraucher zur Kreditaufnahme zu ermutigen, indem suggeriert wird, ein Kredit würde die finanzielle Situation verbessern oder Ersatz für Ersparnisse darstellen.

Über diese in der gesamten EU umzusetzenden Werbeverbote hinaus ist den Mitgliedstaaten die Festlegung weiterer Werbeverbote vorbehalten. Die Verbraucherkredit-Richtlinie 2023 führt hierzu zwar explizit weitere Werbeverbote an, doch ergibt sich aus dem Wortlaut, dass diese Aufzählung lediglich beispielhaft ist und wird den Mitgliedstaaten ein weiter Spielraum zugestanden.

Auch die vorvertraglichen Informationspflichten des Kreditgebers wurden erweitert. So sind etwa Kreditgeber bei Zurverfügungstellung der vorvertraglichen Informationen weniger als einen Tag vor der Bindung an das Kreditangebot künftig verpflichtet, den Verbraucher binnen sieben Tagen an sein Widerrufsrecht zu erinnern.

 

Kopplungs- und Bündelungsgeschäfte:

Wie bereits im Anwendungsbereich der Wohnimmobilienkredit-Richtlinie 2014/17/ЕU gilt künftig auch nach der Verbraucherkredit-Richtlinie 2023 ein grundsätzliches Verbot von Kopplungsgeschäften, bei denen der Kreditvertrag definitionsgemäß in einem Paket mit anderen Finanzprodukten angeboten wird und nicht separat abgeschlossen werden kann.

 

Sonstiges: Obergrenzen, Verjährung des Widerrufsrechts

Die Verbraucherkredit-Richtlinie 2023 enthält auch zahlreiche Klarstellungen (etwa zur Reduktion der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Rückzahlung wie in der Lexitor-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs) sowie diverse sonstige Neuerungen, die im Folgenden nur exemplarisch aufgezählt werden.

So können die Mitgliedstaaten künftig Obergrenzen für das Verhältnis zwischen Kredithöhe und Gegenwert oder zwischen Kredithöhe und Einkommen festlegen.

Verbraucher, die eine Krebserkrankung mit medizinischen Maßnahmen vor zumindest 15 Jahren überstanden haben, haben im Rahmen der Versicherung künftig ein Recht auf Außerachtlassung dieser Krankengeschichte.

Zudem wurde nunmehr ausdrücklich eine Verjährung des Widerrufsrechtes normiert: Der Verbraucher war bereits nach der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008 berechtigt, den Kreditvertrag binnen 14 Tagen nach dessen Abschluss zu widerrufen. Diese 14-tägige Frist wurde erst ausgelöst, wenn bis zum Abschluss auch sämtliche Informationspflichten des Kreditgebers erfüllt waren. Wie lange das Widerrufsrecht bei Vernachlässigung der Informationspflichten ausübbar ist, war bislang umstritten.

Die Verbraucherkredit-Richtlinie 2023 schafft nun Klarheit über die Verjährung dieses Widerrufsrechts. Die Widerrufsfrist endet künftig längstens zwölf Monate und 14 Tage nach Abschluss des Kreditvertrags.

Auch Überziehungsmöglichkeiten werden künftig stärker reguliert: Bei einer Überschreitung von mehr als einem Monat, hat der Kreditgeber dem Verbraucher Informationen über die Überschreitung vorzulegen. Bei regelmäßigen Überschreitungen hat der Kreditgeber dem Verbraucher Beratungsmöglichkeiten anzubieten und an Schuldnerberatungsstellen zu verweisen.

 

Fazit

Die Verbraucherkredit-Richtlinie 2023 enthält nicht nur inhaltliche Neuerungen, sondern auch klarstellende Bestimmungen, die bereits Gegenstand höchstgerichtlicher Entscheidungen zur Verbraucherkredit-Richtlinie 2008 und deren nationalen Umsetzungen waren. Die Verbraucherkredit-Richtlinie 2023 ist bis zum 20.11.2025 in allen EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen. Im Anwendungsbereich zeigt sich bereits jetzt, dass die Novellierungen nicht nur klassische Kreditinstitute treffen werden.

Daniel Tamerl ist Rechtsanwalt und Partner bei CHG Czernich Rechtsanwälte Innsbruck.

Dr. Daniel Tamerl